Es gefällt uns nicht, was wir sehen und erleben. Wir stehen am Abgrund und starren entsetzt. Wer hat das gemacht? Wieso tut keiner was dagegen? Wir klammern uns an die Strohhalme, die wir schon seit Jahrzehnten kennen. Die sind wir gewohnt. Darin haben wir Übung. Kann ja sein, dass diese Gewohnheiten uns genau an diesen Abgrund gebracht haben. Man könnte mal die Gewohnheiten ändern. Damit kann man sogar im Alltag beginnen. Dazu braucht man nicht einmal eine „Revolution“ – bei der „ALLE mitmachen müssen“, weil es sonst „nichts nützt“.

Ansprüche und Erwartungen haben wir hauptsächlich unseren Mitmenschen gegenüber. Manchmal ist das ärgerlich, aber manchmal ist es besser als jede Komödie, was man so erleben kann, wenn man ein klein wenig aufmerksam ist. In unserer letzten Chorprobe erzähle eine Sängerin, welche Rückmeldung sie bekam auf unseren letzten „Einsatz“. Nun, es ist ein kleiner Chor, es ist ein Laienchor, es ist ein Kirchenchor, es ist ein dörflicher Chor, wir singen ehrenamtlich. Meistens singen wir in der hiesigen Dorfkapelle auf der Empore. Da wir so wenige sind, haben wir dort gut Platz. Die Rückmeldung lautete aber nicht, dass wir so schön gesungen hätten oder derartiges. Nein, die Rückmeldung war, man würde es unten im Kirchenraum hören, wenn wir unsere Noten umblätterrn.

Gut, wenn das so ist, könnten wir ja nächstes mal ein einziges Lied wählen, und das singen wir dann fünf mal, so muß niemand umblättern. Das halte ich aber für unnötig, denn oben auf der Empore höre ich auch das ganze Gehuste, Gerotzel, das Knistern der Tempotaschentücherverpackung, das Geschneuze und das Rascheln der Bonbonpapierchen. Das stört mich nicht, wir sind ja nicht im Tonstudio sondern in der Kirche unter Menschen.

Doch was sind das nur für verwöhnte und verzogene Luxusmenschen? Meckern, Ansprüche stellen, fordern, kritisieren ist für manche Menschen offenbar so wichtig wie das tägliche Brot. Wie wäre es denn, das mal bleiben zu lassen, ein sogenanntes Meckerfasten und Besserwisserfasten zu machen? Stattdessen könnte man verschwenderisch mit Respekt, Lob, Dank, Anerkennung und Wertschätzung um sich werfen, dass es nur so kracht. Kaum einmal getan, merkt man, wie man selbst nicht mehr so miesepetrig ist. Man kann nämlich beobachten, wie Mitmenschen sich freuen und regelrecht aufblühen.

Wir haben einen Kanal auf Telegram „Insektenfreie Nahrung“. Dort geht es darum, Produzenten anzuschreiben und anzusprechen, ob sie solcherlei Giftstoffe verarbeiten – oder nicht. Wir tun das höflich. Die Produkte, die nicht vertrauenserweckend sind, kaufen wir nicht mehr. Das nennt man Konsumboykott. Das deuten wir freundlich an. Bekommen wir eine Antwort, die vertrauenserweckend ist, schreiben wir zurück und bedanken uns. Wir sichern zu, dass wir nun ihre Produkte gern kaufen. Das nennt man „positive Rückmeldung“. So gestalten wir die Welt, die wir haben möchten.

Viele Menschen haben verstanden, dass man selbst handeln muß, weil das stillschweigende Schlucken von allem, was uns vorgesetzt wird, nicht nur auf dem Teller, hat unsere Welt geradezu widerlich verkommen lassen. Selbstermächtigung und Tatkraft des einzelnen ändern die Welt, jammern und fordern nicht. Auch der Boykott von Fertigprodukten ist nicht einfach, aber es geht. Als Verbraucher hat man mehr Macht, als man denkt. Produkte, die der Verbraucher nicht kauft, werden bald nicht mehr hergestellt. So einfach funktioniert der scheinbar undurchschaubare „Markt“. Man muß seine Gewohnheiten ändern. Man muß wieder selbst kochen. Der Lohn dafür ist größer und schöner, als man denkt. Man denn das: menschengemäß leben.

Das hat positive Wirkung, nicht nur auf die gesündere Ernährung und den gesünderen Lebenswandel. Denn man kann erleben, wie man raus kommt aus der Opferrolle, aus der ewigen Ohnmacht. Man kann handeln. Das läßt sich auf alle Lebensbereiche ausweiten. Und in allen Lebensbereichen ist das dringend nötig. Vor allem in den Zeiten, die eben gerade so sind, wie sie sind.

Wenn dir nicht gefällt, was du siehst: Ändere dich selbst und deine Gewohnheit, alles als „naturgegeben“ hinzunehmen. Sorge dafür, dass das, was dir gefällt, in die Welt kommt.

Wer nicht handelt, wird behandelt.

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